Mit Schwarz gegen seltene Eröffnungen

Bezirkskader beschäftigt sich mit Orang-Utan

Alle erfahrenen Schachspieler kennen das Phänomen: Man bereitet sich gewissenhaft auf die nächste Partie vor, lernt Hauptvarianten bis zum 20. Zug in- und auswendig – und dann packt der  Gegner freudestrahlend 1. b4 (die sogenannte Orang-Utan-Eröffnung) aus. Wie man darauf und weitere seltene Eröffnungen (z.B. 1. b3, d3 oder g3) mit geringem Lernaufwand reagieren kann, damit hat sich der Bezirkskader des Main-Vogelsberg-Schachverbands (MVSJ) am 7. April 2018 in Hainstadt beschäftigt.

 

Zunächst stand für die 10 Teilnehmer/-innen aus sechs Vereinen und zwei Bezirken die Bird-Eröffnung auf dem Programm. Wie gefährlich diese ist, demonstrierte der erste und einzige deutsche Weltmeister, der als 20-Jähriger folgenden mustergültigen Angriff vortrug:

 

 

Lasker, Emanuel – Bauer, Johann Hermann [A03]

Amsterdam VAS International–01Masters Amsterdam (1), 26.08.1889

 

 

 

Der Nachziehende scheint ganz ordentlich zu stehen. Die Entwicklung ist abgeschlossen. Es steht Raum zur Verfügung; die beiden Zentralbauern sind mobil und die Dame schaut gelegentlich nach g2. Mit dem letzten Zug 13…a6 hat er Lb5 aus der Stellung genommen und bereitet einen Bauernsturm am Damenflügel vor. Dabei übersah Bauer jedoch den dynamischen Charakter der Stellung, da der weiße Angriff wesentlich schneller durchringt. 13…g6, was Sh5 verhindert, war Pflicht.

 

14.Sh5

 

Emanuel Lasker, der vor genau 150 Jahren geboren wurde, bläst zum entscheidenden Angriff, indem eine weitere Figur in den Angriff eingebunden wird. Der Turm steht auch zum Schwenk f3 nebst g3 (oder h3) bereit.

 

14…Sxh5 Bereits an dieser Stelle existiert keine befriedigende Verteidigung mehr! 14…d4 scheitert an 15.Lxf6 Lxf6 16. Dg4 Kh8 17.Tf3 Tg8 18.Lxh7.

 

15.Lxh7+! Nur so! 15.Dxh5 führt zu nichts.

 

15…Kxh7 16.Dxh5+ Kg8 17.Lxg7!! Mit diesem doppelten Läuferopfer, das hierauf in die Arsenale der Turnierspieler aufgenommen wurde, krönt Lasker seine Leistung.

 

17…Kxg7 Bauer muss wegen der Mattdrohung nolens volens auch dieses vergiftete Geschenk annehmen.

 

18.Dg4+ Kh7 19.Tf3 e5 20.Th3+ Dh6 21.Txh6+ Kxh6 Durch das Damenopfer ist Schwarz dem Matt entronnen, kann aber hier schon getrost aufgeben, da er wegen mangelnder Koordination seiner Kräfte weiteres Material verliert.

 

22.Dd7

 

 

Eine weitere Figur geht nun verloren, wonach Schwarz getrost hätte aufgeben können, dies aber erst nach weiteren 16 Zügen tat.

 

1–0

 

Partie auch unter: 

https://share.chessbase.com/SharedGames/game/?p=JCJF4SHrCf6hN3+n4/Tq1sww0GT43k+BaCTutE+oJF5Sb7zmwfQiGPEcU9YX9dTG

 

Wie ein möglichst ökonomisches Vorgehen gegen diverse seltene Züge konkret aussehen kann, das demonstrierten die beiden Trainer anhand eines universellen Aufbaus: Das so genannten Londoner System ist durch die frühe Entwicklung des Läufers bei Weiß nach f4 (Schwarz: f5) sowie dem Bauerndreieck c3, d4, e3 (c6, d5, e6) gekennzeichnet ist und gilt als sehr solide. Dieses Konzept lässt sich neben der Bird-Eröffnung (1.f4) auch gut im Réti-System bzw. Königsindischen Angriff (1.Sf3 nebst g3 und Lg2) oder Orang-Utan / Sokolsky-Eröffnung (1.b4) einsetzen. Ein Thementurnier rundete das das Kadertraining am Nachmittag ab.

 

Der nächste Termin findet am 28. April, 10:30 bis 16:30 Uhr, in Hainstadt statt, für den es noch ein paar freie Plätze gibt. Thematisch vorgesehen ist  Variantenberechnung sowie praktische Regeln für den Turnierspieler. Referenten: Stefan Jäger, Alexander Kempf, Christopher Overbeck.

 

 

Christopher Overbeck, 2. Vorsitzender der MVSJ

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